Jetzt bin ich schon über einen Monat in Paraguay unterwegs.

Ich habe meine erste kleine Erkrankung überstanden und bin von Ciudad del Este im Südwesten über deutsche Kolonien und die Hauptstadt Asunción bis zur bolivianischen Grenze im Nordosten geradelt.

Was ich unterwegs erlebt habe?

Eine ganze Menge – und davon erzähle ich euch hier:

Ciudad del Este – Konsum, Schwarzmarkt und ein Kraftwerk der Superlative

Direkt neben den Iguaçu-Fällen liegt Ciudad del Este, mein erster Halt in Paraguay – und ich habe die Stadt als eine Transitstadt erlebt.

Überall riesige Konsumtempel und ein großer Schwarzmarkt.

Paraguay erhebt im Vergleich zu den Nachbarländern sehr geringe Steuern auf Importprodukte. Das hat einen regelrechten Konsum-Tourismus aus Brasilien und Argentinien entstehen lassen.

In Elektronikläden gibt es zwei Preise:

• Einen günstigeren, steuerfreien für Ausländer

• Und einen teureren für Einheimische.

Ob das wirklich so streng getrennt wird? Naja, sagen wir mal so: Nach meinem Pass hat niemand gefragt.

Neben der Möglichkeit, sich glücklich zu shoppen, gibt es in dieser Stadt mit 300.000 Einwohnern eigentlich nur eine weitere große Sehenswürdigkeit:

das gigantische Wasserkraftwerk Itaipú.

Itaipú ist ein Freundschaftsprojekt zwischen Brasilien und Paraguay und deckt heute 90 % des paraguayischen Strombedarfs und 20 % des brasilianischen Strombedarfs.

Das Kraftwerk hält mehrere Weltrekorde und ist der Hauptgrund dafür, dass Paraguay eines der wenigen Länder weltweit ist, das komplett mit erneuerbaren Energien versorgt werden kann.

Vor dem Baubeginn 1975 war die Stadt praktisch nicht existent. 12 Jahre dauerte es, bis der Damm vollständig in Betrieb war.

Als Tourist wird man kostenlos im Bus durch die Anlage gefahren – inklusive professioneller Führung.

Obwohl ich sicher nur die positiven Seiten des Projekts präsentiert bekam, war der Besuch ziemlich beeindruckend.

Chipa, Tereré und paraguayische Gastfreundschaft

Ich entschied mich spontan, die Hauptstadt Asunción anzusteuern – auch, weil es eine direkte Straße dorthin gibt.

Große Unterschiede zu Brasilien bemerkte ich unterwegs kaum: Paraguay ist ein bisschen ärmer, und an den Verkaufsständen am Straßenrand werden andere Lebensmittel verkauft.

Während in Brasilien hauptsächlich Kokosnusswasser, Zuckerrohrsaft und herzhafte Pastel angeboten wurden, gibt es in Paraguay Chipa (eine Art Teigring) und natürlich Tereré (das Nationalgetränk von Paraguay) sowie Mate-Tee.

Ein Mitarbeiter einer Chiparía lud mich sogar ein, neben seiner Bäckerei zu zelten – eine von vielen freundlichen Einladungen.

Oft beginnt die Konversation so: Woher kommst du? Alemannia? Und zack, werden mir voller Begeisterung Videos vom örtlichen Oktoberfest, bayrische Blasmusik oder deutsche Schlager vorgespielt.

Einmal versuchte ich, mithilfe von Google Translate zu erklären, dass ich von dem alljährlichem Saufgelage in diesem komischen Land in dem die Leute Markus Söder für einen fähigen Politiker halten (und nicht für den food-blogger der er ist), nicht allzuviel anfangen kann.

Was soll ich sagen? Hat eher so mittelgut funktioniert.

Die deutschen Kolonien – Zwischen Schäferhunden und menschenfeindlichen Ideologien

Über Gespräche mit Einheimischen habe ich auch erfahren, dass die einheimischen der deutschen Kolonien in Paraguay nicht den besten Ruf genießen.

Wer will es ihnen verdenken?

Deutschland und Europa haben hier viel Leid angerichtet – und meine persönlichen Erfahrungen waren durchwachsen.

In der Colonia Independencia erzählte mir ein ausgewanderter Deutscher schon beim ersten Gespräch von einem „reinrassigen Schäferhund“ und schimpfte über den Euro.

Und das, obwohl ich Themen wie Rassismus, Kolonialismus und Nazis tunlichst vermieden hatte.

Im Nachhinein las ich, dass die Colonia Independencia 1933 eine der ersten NSDAP-Ortsgruppen hatte – und das obwohl es außerhalb Deutschlands liegt.

Freundschaften, Konzerte und kritische Kunst in der Hauptstadt

In Asunción angekommen, traf ich zufällig Tiá aus Frankreich wieder – sie war die Strecke aus Foz do Iguaçu gelaufen!

Zusammen mit Edriano aus Brasilien verwandelten wir die Hostelküche kurzerhand in eine Hotdog-Werkstatt.

Für mich als Vegetarier wurden die Würstchen einfach durch Möhren (!) ersetzt – kreativ, aber es hat tatsächlich geschmeckt!

Außerdem schauten wir uns in Flipflops und kurzer Hose ein kostenloses und eigentlich sehr seriöses klassisches Konzert an und gingen abends noch in eine Kneipe.

Kurz gesagt: Wir hatten eine gute Zeit :).

Asunción ist eine Stadt voller Museen und günstiger Kulturangebote – insgesamt gibt es über 20 Museen in der Stadt.

Besonders begeistert hat mich das Museo del Barro.

Ein großer Teil der Ausstellung widmet sich der Kunst indigener Gruppen wie den Guaraní.

Wobei „Kunst“ im Guaraní eigentlich kein eigenes Wort ist – vielmehr ist alles Teil des Alltags, tief verwoben mit der Natur und der Gemeinschaft.

Das Museum thematisiert auch die Zwangsarbeit indigener Völker in den Missionswerkstätten während der Kolonialzeit:

Sie mussten christliche Auftragswerke nach strengen Vorgaben für die europäischen Unterdrücker herstellen.

Schlussendlich werden auch Kunstwerke gezeigt, die sich mit der Unterdrückung und Gewalt befassen, der die Bevölkerung ausgesetzt war.

Sehr beeindruckend ist dagegen das Marianalena Kloster südwestlich der Stadt.

Das ist quasi ein Geheimtipp was längst nicht alle Touris zu gesicht bekommen. Ich habe in den 1 1/2 Stunden in denen ich da war keinen einzigen Menschen gesehen.

Asunción gilt übrigens als die grünste Hauptstadt der Welt.

Vor Ort merkt man davon eher wenig:

Zwar gibt es viele Bäume, aber durch die vielen Autos und Motorräder bemerkt man diese fast nicht.

Ruta 9 – Eine Straße ins Nichts

Nach einigen Tagen Pause machte ich mich auf den Weg auf die Ruta 9, die erst seit ein paar Jahren durchgängig geteert ist, in Richtung Bolivien.

Und wow – diese Strecke ist noch einsamer, als ich es mir vorgestellt hatte. Stundenlang geht es einfach nur geradeaus. Kein Schatten, kaum Verkehr. 80 Kilometer zwischen zwei Geschäften sind eher die Regel als die Ausnahme.

Das am Anfang der Route an Straßenständen Kanister mit Benzin verkauft wurden, hätte mir eine Warnung sein sollen.

Solche geraden Straßen kannte ich bisher nur aus Belarus und Australien.

Dazu kamen Sumpfgebiete, Rinderweiden und – natürlich – unzählige Mücken.

Bei Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad musste ich mich komplett verhüllen und Unmengen an Mückenschutzmittel verbrauchen.

Ich frage mich, wie es hier die Einheimischen im Sommer bei bis zu 46°C aushalten.

Pausen waren wegen der Stechattacken praktisch unmöglich. So kam es, dass ich oft über 100 Kilometer am Tag fuhr.

Geeignete Plätze für mein Zelt?

Eine echte Herausforderung bei dem ganzen Sumpf

76 Jahre jung, 53.000 Kilometer alt: Kuno und sein ewiger Fußmarsch

Auf halber Strecke in der Mennonitenkolonie Neuland angekommen, lernte ich Kuno kennen:

76 Jahre alt, auf Weltreise mit einem selbstgebauten Fahrradanhänger, vollgepackt mit allem zum Überleben. Seit 2016 ist er unterwegs – über 53.000 Kilometer hat er schon zu Fuß zurückgelegt.

Zusammen kauften wir den kompletten Camping-Gasvorrat des örtlichen Angel- und Jagdladens auf.

Als ich ihm erzählte, dass ich vor kurzem neben einer Gefängniszelle übernachtet hatte, meinte er nur trocken:

„Ich sollte mal IN einer Zelle schlafen – die Polizei hat’s mir angeboten. Konnte sie aber noch davon abhalten.“

Reißverschluss kaputt, Moral intakt: Überlebenskunst im Matsch

Seit Neuland wurde die Landschaft etwas trockener, dafür die Entfernungen zwischen den Ortschaften noch länger.

230 Kilometer ohne Lebensmittelgeschäft und ohne Netz? Geht nur mit entsprechenden Vorkehrungen – mit 8 Litern Wasser und einem Haufen Essen im Gepäck.

Auch ein großes Problem war das Wetter:

Plötzliche, monsunartige Regenfälle verwandelten mein Zelt nachts in ein Schlammloch – und machten es mehrere Kilo schwerer.

Dann verabschiedete sich auch noch der Reißverschluss meines Innenzelts – drei Nächte lang campierte ich mit sämtlichen Insekten Paraguays. Meine Haare waren anscheinend sehr gemütlich für sie.

Angekommen in Bolivien – Vorbereitungen für neue Abenteuer!

Nach dieser strapaziösen Etappe habe ich die kleine Stadt Villamontes in Bolivien erreicht. Jetzt chille ich erst einmal im Hotel, lasse die Abenteuer Revue passieren, schmiede neue Pläne für den Weg nach Chile und Peru – und muss mein Gepäck auf die Anden und kalte Temperaturen vorbereiten.

Fortsetzung folgt!

Blogbeitrag vom 28.04.2025

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