
Eintritt ins Chaos: Mein holpriger Start in Bolivien
Der Anfang meiner Reise durch Bolivien war beschwerlich.
Die Grenze zwischen Paraguay und Bolivien ist inmitten von nichts. Nachdem ich mir den Aus- und Einreisestempel abgeholt hatte, gab es für mich keine Möglichkeit, Geld abzuheben, zu tauschen oder eine SIM-Karte zu kaufen. Auch hatte ich kein Netz, weswegen ich den aktuellen Wechselkurs sowieso nicht hätte kennen können.

Ein Grenzbeamter teilte mir mit, dass die nächste Möglichkeit essen zu kaufen in Villamontes sei – also 120 km entfernt. Ich stellte mich also auf eine lange Strecke ohne Internet, Wasser und Lebensmittel ein.


Dazu kam noch, dass der Reißverschluss meines Zeltes immer noch nicht repariert war. Zum Glück hatte ich noch genug Essen dabei, und Wasser konnte ich an der Grenze auffüllen.


Zelten mit kaputtem Reißverschluss und zwei Platten – Auf dem Weg nach Villamontes!
Es war schon spät am Tag meiner Einreise und die Prozedur an der Grenze hatte Zeit gekostet. Ich konnte also nicht mehr weit fahren, bevor die Sonne unterging und ich das Zelt aufschlagen musste.Am nächsten Tag stand ich früh auf, entschlossen, die restlichen 115 km nach Villamontes zu radeln, um nicht noch eine Nacht im kaputten Zelt verbringen zu müssen.
Der Plan ging auf – trotz gleich zwei Platten am Vorderrad. Ich hatte nur einen Ersatzschlauch, den ich bei der ersten Panne verbrauchte. Die restlichen Schläuche waren alle kaputt, weil ich bisher zu faul war sie zu flicken.

Beim zweiten Platten musste ich feststellen, dass meine Flicken aus Brasilien nicht richtig funktionierten – ich hatte nur noch zwei bessere aus Europa. Erst beim zweiten Versuch – also meinem letzten – hielt der Flicken.

Lost City Villamontes – oder: Wo bin ich hier eigentlich gelandet?
Die Probleme hörten in Villamontes nicht auf. Ohne Internet konnte ich keine Hotelpreise vergleichen. Mein Plan war, erst etwas zu essen und im Imbiss das dortige WLAN zu nutzen. In Paraguay oder Brasilien wäre das kein Problem gewesen – in Bolivien schon.
Kartenzahlung ist hier unüblich (warum erkläre ich später), und WLAN hatte der Imbiss auch nicht.

Dank heruntergeladener Übersetzungen in Google Translate konnte ich mein Anliegen dennoch erklären. Ich sagte, dass ich nichts bestellen könne, weil ich nur paraguayische Guaraní hatte – und wollte schon weiterziehen. Doch die Betreiber des Imbisses kochten mir einfach so etwas zu essen und stellten ein Getränk dazu.

Es war mir unangenehm, nicht zahlen zu können, und ich war unsicher, ob sie mich richtig verstanden hatten. Ich bot an, am nächsten Tag zurückzukommen und zu zahlen – doch sie lehnten empört ab und bestanden darauf, mich einzuladen. Sie empfahlen mir sogar ein günstiges Hotel.
Einchecken im Hotel? Garnicht so einfach!
Dort angekommen, bildete sich eine Menschentraube um mich – kommt wohl nicht alle Tage vor, dass si ein komischer Typ mit einem überladenen Fahrrad durch die Stadt radelt.
An der Rezeption stellte sich heraus, dass auch hier keine Kartenzahlung möglich war.
In der Zwischenzeit hatte die Menschentraube bereits jemanden organisiert, der Deutsch sprach und übersetzen konnte. Sie erklärte mir, dass eine Privatperson für mich Geld wechseln könnte.Das tat ich dann auch – und wunderte mich über den überraschend guten Wechselkurs. Später fand ich heraus, warum.
Dann halfen mir sogar einige Menschen, mein Fahrrad und das Gepäck in mein Zimmer zu tragen. Nach diesem anstrengenden Tag fiel ich ziemlich erschöpft ins Bett.
Lostcity Villamontes und der bolivianische Wechselkurs-Dschungel


Eins steht fest:
Wenn du dich mal so richtig lost fühlen willst – Villamontes ist der richtige Ort. Es gibt weder eine Wechselstube noch Tourismus, und Supermärkte sucht man – wie überall in Bolivien – vergeblich. Außerdem haben alle Banken meine Kreditkarten nicht akzeptiert oder hatten horrende Gebühren.
Erst später fand ich heraus, dass die bolivianische Regierung den offiziellen Wechselkurs künstlich niedrig hält (sprich: die eigene Währung aufwertet), um die Wirtschaft stärker wirken zu lassen, als sie ist.
Von dieser Praxis wusste ich bisher nur aus Argentinien.
Für Ausländer ist es daher eine schlechte Idee, Geld bei Banken abzuheben: Dort gilt der offizielle Kurs von etwa 1€ = 7,5 Bolivianos.Auf dem inoffiziellen Markt (z. B. bei Tausch mit Einheimischen) erhält man bis zu 1€ = 18 Bolivianos.

Da es in Villamontes keine Wechselstuben gab, fiel diese Möglichkeit für mich weg.
Blieb noch Western Union – dort liegt der Kurs normalerweise bei etwa 1€ = 12 Bolivianos.
Doch aus irgendeinem Grund wurde mir zu dem Zeitpunkt der offizielle, viel schlechtere Kurs berechnet.
Erschwerend kam hinzu, dass man in bolivianischen Banken und Geldinstitute keine Handys benutzen darf – was die Übersetzungssituation in dem Shop ziemlich verkomplizierte.
Die Angestellte hatte vermutlich noch nie einen europäischen Reisepass gesehen, und so mussten mehrere Telefonate geführt werden, um alles zu klären.
Nach zwei Stunden Warten – in denen ich immer nervöser wurde, weil sie Kopien meines Reisepasses und die Transaktionsnummer hatten (also alles was sie brauchen würden um das Geld in die eigene Tasche wandern zu lassen) – bekam ich schließlich doch noch mein Geld.
Markthallen-Mission Impossible: das etwas andere Einkaufserlebnis in Bolivien

Die nächsten Tage verbrachte ich damit, mich in Villamontes zurechtzufinden:
Keine Touristen, keine Supermärkte.
Wer etwas kaufen will, geht in eine von zwei großen Markthallen – wo man schon nach kurzer Zeit die Orientierung verliert.
Preise sind nie angeschrieben und müssen erfragt werden – was mit meinem Duolingo Spanisch-Englisch-Portugiesisch (eine Sprache die nur ich verstehe) nicht gerade einfach ist.




Trotzdem schaffte ich es hier den Reißverschluss von meinem Innenzelt reparieren zu lassen.

Ein deutscher Auswanderer erzählte mir später, Villamontes werde nur noch durch das nahe gelegene Gasfeld am Leben gehalten – und werde wohl zur Geisterstadt, wenn das Gas erschöpft ist.
Arroz y Papas fritas por favor!
Vegetarisches Essen ist in Bolivien nicht besonders verbreitet. Meine Ernährung besteht daher meist aus Arroz y Papas fritas – ohne das übliche Hühnchen – sowie aus den verwirrten Blicken, warum ich denn kein Hühnchen esse.

Die Getränke entschädigen dafür:
Pelón (getrockneter Pfirsich mit Zimt), Linaza (Leinsamendrink) und vor allem Api (ein heißer Maissaft zum Frühstück), sowie die anderen selbst gemachten Getränke, die man an jeder Straßenecke kaufen kann, sind sehr lecker und vielfältig.

Ab in die Berge: Schlammschlacht und reichlich Höhenmeter nach Tarija
Nach einigen Tagen Eingewöhnung machte ich mich auf in die Berge Richtung Tarija.
In den Voranden fuhr ich durch dichten Nebel und Schlamm und überwand einige Höhenmeter.
Hier mussten sich sogar die LKW Fahrer den Weg frei schaufeln.



Die Landschaft war atemberaubend.
Tunnel gibt es keine – und Leitplanken sucht man meist vergeblich.
Stattdessen gibt es viele Erdrutsche.









Tarija rockt: Vom Reifenwechsel zur Weinverkostung
In Tarija lernte ich eine etwas modernere bolivianische Stadt kennen. Ich ging mit Hostelgästen auf ein Metal-Konzert und besuchte den nahe gelegenen Wasserfall.





Nach über 11.000 km und 25 Reifenpannen war es auch an der Zeit, die Reifen von Worldy zu wechseln.


In einer Straße an der sich jede Menge Randwerkstätten angesiedelt haben, fand ich trotz meiner hier seltenen Reifengröße (29 Zoll) passenden Ersatz.

Ruta del Vino
Die Region rund um Tarija ist bekannt für ihren Weinbau.
Mir wurde herzlich die „Ruta del Vino“ empfohlen – also buchte ich, obwohl ich alles andere als ein großer Weintrinker bin, eine geführte Tour.

Man wurde von Weingut zu Weingut gekarrt – mit jeder Station wurde weniger erklärt und mehr „verkostet“. Zum Entsetzen einer französischen Familie mochte ich Kulturbanause den süßen Wein lieber als den trockenen.





Aber der Tourgide machte seinen Job gut und sorgte mit Gitarre und Gesang für gute Stimmung unter den Angetrunkenen.
Die Anden: 5.000 Höhenmeter voller Staub und Schweiß

Nach dem ich den Rausch ausgeschlafen hatte zog es mich weiter Richtung Tupiza – durch die Anden.


5.000 Höhenmeter lagen vor mir. Mit der Höhe kam die Kälte: Nachts schätzungsweise 4 °C, tagsüber T-Shirt-Wetter. Immer mehr Wegkreuze zeugen von gefährlichen Stellen – denn Busse und LKWs sind schnell unterwegs und Leitplanken fehlen.


Ich wurde gewarnt: Wenn Busfahren, dann nicht am Ticket sparen – Unfälle sind keine Seltenheit.
Schaltung kaputt im Nirgendwo: Improvisation in den Bergen
In einer kleinen Stadt füllte ich Vorräte auf, fuhr 15 km bergauf – und dann funktionierte die Schaltung nicht mehr.
Ich kehrte um, bezog erneut ein Zimmer und versuchte per YouTube Tutorial die Schaltzüge zu tauschen. Am Ende lag es an Kalk und Wasser, nicht an gerissenen Zügen.

Trotzdem probierte ich weiter – und ruinierte dabei meine beiden Ersatzschaltzüge. Im Ort gab es keinen Ersatz.
Blieb mir also nichts anderes übrig als mit dem Schraubenschlüssel manuel zu schalten, dafür jeweils vom Rad ab zu steigen und so mit 4.260 Metern den bis jetzt höchsten Berg hoch zu fahren.

Dieser Teil der Strecke war nicht Asphaltiert. Und mir war es lieber bei vorbei fahrenden LKWs immer meine Mund und Nase zu bedecken um nicht an einer Staublunge zu verenden.

Bei über 4.000 Metern kam ich auch immer häufiger außer Atem und zum Schluss habe ich ungefähr alle 200 Meter eine Verschnaufspause machen müssen.







Nach vier Tagen, 2.700 Höhenmetern, ohne Netz oder Einkaufsmöglichkeiten, kam ich letztendlich in Tupiza an.
Ankunft in Tupiza
Hier ruhe ich mich aus und kaufe warme Kleidung – denn in Uyuni wird es noch kälter.

Ich unternahm eine kleine Wanderung zu beeindruckenden Felsformationen – Touristen reiten meist in einer geführten Pferdetour, aber zu Fuß ist es genauso gut machbar.





Blick nach vorn: Die Salzwüste ruft!
Nun breche ich zum nächsten Abschnitt auf: Uyuni – der Hotspot für alle, die die berühmte Salzwüste sehen wollen – auch ich!
Vor mir liegen „nur“ noch 2.700 Höhenmeter und 200 km. Zum Glück habe ich schon eine Übernachtung bei einem Warmshowers-Host auf halber Strecke klargemacht.

Beitrag vom 25.05.25
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Lieber Florio,
deine Radtour durch die Anden, welche Herausforderungen! Alle Achtung! Muchos Gracias für deinen eindrucksvollen Bericht!