
Wiedersehen in Lima
Nach insgesamt 25 Stunden im Bus – davon etwa 12 ohne funktionierende Toilette – bin ich endlich in Lima angekommen.
Während der Fahrt wurden die unterschiedlichsten Dinge verkauft: von Cremes bis hin zu kleinen Kruzifixen. Es fühlte sich fast an wie eine Kaffeefahrt.

In Lima habe ich nach sechs Monaten endlich meine Eltern wiedergetroffen! Sie haben mir jede Menge Ersatzteile und Zubehör mitgebracht, damit ich meine Reise bald mit dem Rad fortsetzen kann. Darunter war auch ein neues Handy, da mein altes seit dem Unfall regelmäßig Aussetzer hat – ein weiterer ungeplanter Kostenfaktor.


Mein altes Rad ist so sehr auseinander gebaut, das es mit meinen Eltern mit dem regulären Gepäck nach Deutschland geflogen werden kann.
Aufbruch in die Anden – Huaraz
Nach kurzer Zeit verließen wir Lima – dieses Moloch aus dichtem Wolkendach und noch dichterem Verkehr – und machten uns auf den Weg in die Anden, nach Huaraz. Diese Stadt liegt umgeben von 6.000ern, darunter der höchste Berg Perus, Huascarán.

Ganz in der Nähe liegt Yungay, eine Stadt, die am 31. Mai 1970 durch einen Erdrutsch vom nahegelegenen Berg Huascarán nach einem Erdbeben ausgelöscht wurde. Lediglich der höher gelegene Friedhof mit seiner Jesusfigur blieb teilweise stehen. Seit dem Unglück wurde die Stelle, an der die Stadt stand, zu einem Friedhof umfunktioniert.
Allein in Yungay starben rund 19.000 Menschen – die meisten von ihnen konnten nie geborgen werden. Ein Ort, der bis heute unwirklich wirkt.
Aus Rücksicht vor den Opfern habe ich dort keine Fotos gemacht.
Lagunen und Chavín-Kultur





Neben diesem Gedenkort besuchten wir drei weitere Highlights rund um Huaraz: zwei wunderschöne Lagunen – eine davon direkt an einem Gletscher – sowie den historischen Tempel Chavín de Huántar. Es ist der älteste Tempel, den wir je gesehen haben. Er wurde ab ca.1200 v.Chr. errichtet.

Hier setzten die Chavín Menschen unter Drogen und schickten sie in ein unterirdisches Labyrinth, wo sie vom El-Lanzón-Monument, Lichtreflexen und Musik erwartet wurden.

Klingt wie die Handlung eines schlechten Films? Ist aber angeblich genau so passiert!
Ich schätze, jede Glaubensgemeinschaft hat ihre eigenen Wege, Menschen vom Übernatürlichen zu „überzeugen“. In katholischen Kirchen wurde früher bestimmt auch mal etwas mehr Weihrauch eingesetzt, als eigentlich nötig gewesen wäre 😀





Ein Krankheitsfall und erste Physiotherapiesitzungen

Leider machte meinem Vater die Höhe (vermutlich) zu schaffen (so ziemlich alles was du hier besuchen kannst ist höher als die Jungfraujoch), und er wurde krank. Deshalb blieben wir länger als geplant in Huaraz, bis er wieder bei Kräften war.

Immerhin hatte ich so genug Zeit für meine ersten Physiotherapiesitzungen. Ich bekam Übungen und Alltagstipps. Die Therapeutin meinte, ich solle generell mehr essen – so zumindest, habe ich es verstanden. Eine Aufforderung, der ich nur allzu gerne nachkomme und die ich meinen Eltern regelmäßig unter die Nase reibe, wenn ich mal wieder zu wenig bekomme.

Meine Mutter hörte allerdings nur ihren anderen Tipp – nämlich mehr Gemüse, Eiweiß und Obst zu essen – und möchte daher so was unnötiges wie gesunde Ernährung umsetzen.
Trujillo – Verfallener Glanz

Weiter ging es an die Küste nach Trujillo. Die Stadt war einst nobel, ist heute aber vielerorts ziemlich marode – ein Eindruck, der sich auch in unserem merkwürdigen Hotel widerspiegelte.

Offensichtlich war es einst ein Luxushotel, doch heute sind viele Bereiche renovierungsbedürftig, und man muss suchen, um Stellen zu finden, die nicht verstaubt aussehen.


Skurrile Details rundeten das Bild ab:
- Eine Etage nur für Reinigungspersonal, die trotzdem mit dem Aufzug von allen angefahren werden kann (die haben sich vielleicht gewundert, als sie mich auf meiner Erkundungstour sahen).
- Eine Bar und ein Fitnessstudio, in denen seit Langem weder Bier noch Schweiß geflossen sind.
- Eine Gebetsecke, über der der WLAN-Router thront (mein persönliches Highlight). Hier kann man wohl zum Anbeten hinkommen, falls mal wieder Stromausfall oder das Netz überlastet ist.

Dass das Netz überlastet war kam allerdings nie vor– Wir waren fast die einzigen Gäste – und die einzigen europäischen.
Auch das Frühstück war… sagen wir mal, speziell. Am ersten Tag gab es eine Art Buffet, bei dem man sich so viele Brötchen holen durfte, wie man wollte („man“ ist in diesem Fall als Platzhalter für das Wort „Florio“ gedacht).
Ab Tag zwei gab es plötzlich nur noch zwei abgezählte Brötchen pro Person – offenbar hatte ich es am ersten Tag etwas übertrieben 😀
Von blutdrünstigen Vorfahren und verwaisten Häfen







In Trujillo gibt es abgesehen von renovierungsbedürftigen Häusern und einem sehr empfehlenswerten Spielzeugmuseum nicht allzu viel zu sehen.





Wir nutzten die Zeit daher für Ausflüge zu den Ruinen von Huaca del Sol und Chan Chan, die 100. und 1200 n.Chr. entstanden. Hier wurde gefühlt alles und jede*r geopfert, den die Leute in die Finger bekamen, um die Götter gnädig zu stimmen. Besonders beeindruckt hat mich der Huaca Tempel, der mit riesigen, gut erhalten Wandmalereien glänzen konnte.






Außerdem besuchten wir den Hafen von Huanchaco, wo angeblich noch immer mit traditionellen Einpersonen-Strohbooten gefischt wird. Vor Ort war davon allerdings nichts zu sehen – der seit mindestens sechs Monaten wegen Einsturzgefahr gesperrte Steg, von dem die Boote starten, könnte der Grund dafür sein. Symptomatisch für die Stadt.

Cajamarca – Treppen, Thermalbäder und drei rädrige Taxis
Der nächste Stopp Richtung Norden war Cajamarca.




Dieser Ort fällt vor allem durch seinen Aussichtspunkt auf dem höchsten Berg der Stadt auf. Dorthin gelangt man erst nach etlichen Stufen bergauf, wird dann aber mit einem fantastischen Blick belohnt. Auch sonst ist die Stadt sehr bergig. Bei einer Fahrt mit einem Mototaxi (in Italien würde man TukTuk sagen) war die Steigung so stark, dass wir zwischendurch aussteigen und zu Fuß gehen mussten, bevor wir wieder einsteigen durften.

Ein weiteres Highlight war das top gepflegte Thermalbad: Jede*r bekommt eine eigene Kabine, in der man 30 Minuten lang im heißen Wasser gekocht wird. Danach kann man wählen zwischen Schwimmbad, Museum, Massage oder sogar Sauna – falls die Hitze doch noch nicht genug war.


Chachapoyas und die Festung Kuelap
Nach einer sehr holprigen Nachtfahrt, in dem sicherheitshalber auch kein einziges Schlagloch ausgelassen wurde, erreichten wir Chachapoyas. Die Stadt wurde von den spanischen Kolonialherren nach dem gleichnamigen Volk benannt, das ab 500 v. Chr. in der Nähe die Festung Kuelap errichtete.

Die Chachapoyas – „die aus dem Nebel kommenden“ – waren ein Bergvolk, das ausschließlich runde Gebäude baute um dem Wind in den luftigen Höhenlagen besser trotzen zu können. Ihre Festung hatte nur drei Eingänge, durch die jeweils nur eine Person gleichzeitig passte.

Für die Chatchapoyas war es nur etwas unglücklich, das die Stadt sich nicht autark versorgen konnte: Die Inka mussten im 15. Jahrhundert nur die Wasser- und Lebensmittelwege blockieren, um sie zu erobern.



Der Weg zur Kuelap-Ruine – ein beeindruckendes Erlebnis
Die Kuelap-Ruine ist wirklich sehr sehenswert!
Zunächst fährt man mit einer modernen Seilbahn, die erst vor acht Jahren gebaut wurde, einen sehr steilen Berg hinunter – nur um kurz darauf einen ebenso steilen Berg wieder hinaufzufahren. Schon diese Fahrt ist ein Erlebnis für sich und habe ich so, insbesondere über eine so lange Distanz, noch nie erlebt.



In der Schweiz würde allein diese Seilbahnfahrt wahrscheinlich schon 50€ kosten. Hier war sie jedoch einfach im Preis der gebuchten Tour enthalten (regulär rund 24 €, inklusive Anfahrt, Tourguide, allen Eintritten und Mittagessen).
Im Eiltempo durch die Ruinen
Oben angekommen, wurden wir allerdings ohne Rücksicht auf Verluste oder mögliche Fragen regelrecht durch die Anlage gejagt. Das lag einerseits an unserem Tourguide, dessen Wortschatz hauptsächlich aus „Vamos, Amigos!“ bestand, und andererseits an den Aufseher*innen vor Ort. Diese überwachten die Guides permanent, schwangen bedrohlich ihre Trillerpfeifen und drohten, hineinzupfeifen, sobald diese nur eine Minute zu lange an einem Ort verweilten.




Noch mehr Kultur – Weitere Ausflüge rund um Chachapoyas
Neben den Ruinen gibt es in der Umgebung noch zahlreiche andere lohnenswerte Ausflugsziele.
Die Wasserfälle von Yumbilla


Wir besuchten die Cascadas Yumbilla im Rahmen einer privaten Tour – und waren fast die einzigen Touristen dort. Unsere Führerin erzählte uns, dass ab 17:00 Uhr Affen auftauchen und die Besucher mit Früchten bewerfen würden. Über den Google-Übersetzer fragte ich sie, ob die Affen vielleicht einen Vertrag mit der Tourismusbehörde abgeschlossen hätten oder warum sie erst ab 17:00 Uhr damit beginnen. Leider verstand sie meine Frage nicht – und so wird diese durchaus wichtige Information wohl für immer dem Universum vorbehalten bleiben.



Die Sarkophage von Karajia
Ebenfalls sehenswert sind die weltberühmten Sarkophage von Karajia, in denen Mumien aus der Zeit der Chachapoyas für die Nachwelt aufbewahrt werden.

Hier fragt man sich unweigerlich, wie diese Holzstatuen auf mehrere Meter höhe in die Wand gekommen sind. Die Antwort: verrate ich euch hier nicht. Dafür müsst ihr die Städte schon selbst besuchen 😉


Die Höhle von Quiocta
Und als wäre das noch nicht genug, gibt es auch noch die erst vor wenigen Jahren (wieder)entdeckte und erst letztes Jahr für Besucher*innen geöffnete Quiocta-Höhle. Das ist tatsächlich die größte natürliche Höhle, die ich je gesehen habe. Beeindruckende Stalagmiten erwarten einen hier an jeder Ecke.







Ausblick
Ich musste diesen Beitrag in zwei Teile unterteilen, weil er einfach zu lange geworden ist. Im nächsten Blog könnt ihr mich bei meinem Abenteuer begleiten, wie ich in den amazonischen Jungle reise – und was ich dort alles erlebe.
Also bis bald, euer Florio 🙂
Beitrag vom 25.07.2025